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Geltungszeitraum von: 01.07.2015

Geltungszeitraum bis: 31.12.2022

Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse
(Grundordnung - GrO)

Vom 27. Mai 2015

(KlAnz. 2015, Nr. 105, S. 156)

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Die katholischen (Erz-)Bischöfe in der Bundesrepublik Deutschland erlassen, jeweils für ihren Bereich,
  • in Verantwortung für den Auftrag der Kirche, der Berufung aller Menschen zur Gemeinschaft mit Gott und untereinander zu dienen,
  • in Wahrnehmung der der Kirche durch das Grundgesetz garantierten Freiheit, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetze zu ordnen,
  • zur Sicherung der Glaubwürdigkeit der Einrichtungen, die die Kirche unterhält und anerkennt, um ihren Auftrag in der Gesellschaft wirksam wahrnehmen zu können,
  • in Erfüllung ihrer Pflicht, dass das kirchliche Arbeitsrecht außer den Erfordernissen, die durch die kirchlichen Aufgaben und Ziele gegeben sind, auch den Grundnormen gerecht werden muss, wie sie die Katholische Soziallehre für die Arbeits- und Lohnverhältnisse herausgearbeitet hat,
die folgende Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse.
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Artikel 1
Grundprinzipien des kirchlichen Dienstes

Alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu bei, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann (Dienstgemeinschaft). Alle Beteiligten, Dienstgeber sowie leitende und ausführende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen anerkennen und ihrem Handeln zugrunde legen, dass Zielsetzung und Tätigkeit, Organisationsstruktur und Leitung der Einrichtung, für die sie tätig sind, sich an der Glaubens- und Sittenlehre und an der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben.
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Artikel 2
Geltungsbereich

( 1 ) Diese Grundordnung gilt für
  1. die (Erz-)Diözesen,
  2. die Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen,
  3. die Verbände von Kirchengemeinden,
  4. die Diözesancaritasverbände und deren Gliederungen, soweit sie öffentliche juristische Personen des kanonischen Rechts sind,
  5. die sonstigen dem Diözesanbischof unterstellten öffentlichen juristischen Personen des kanonischen Rechts,
  6. die sonstigen kirchlichen Rechtsträger, unbeschadet ihrer Rechtsform, die der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegen und deren Einrichtungen.
( 2 ) Kirchliche Rechtsträger, die nicht der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegen, sind verpflichtet, diese Grundordnung in ihr Statut verbindlich zu übernehmen; sofern ein kirchlicher Rechtsträger in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts über kein Statut verfügt, ist eine notarielle Erklärung der Grundordnungsübernahme und anschließende Veröffentlichung dieser Erklärung ausreichend. Wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, haben sie im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Beziehungen nicht am Selbstbestimmungsrecht der Kirche gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV teil.
( 3 ) Unter diese Grundordnung fallen nicht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aufgrund eines Klerikerdienstverhältnisses oder ihrer Ordenszugehörigkeit tätig sind; dessen ungeachtet sind sie Teil der Dienstgemeinschaft.
( 4 ) Für vorwiegend gewinnorientierte kirchliche Einrichtungen findet diese Grundordnung keine Anwendung.
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Artikel 3
Begründung des Arbeitsverhältnisses

( 1 ) Der kirchliche Dienstgeber muss bei der Einstellung darauf achten, dass eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter die Eigenart des kirchlichen Dienstes bejahen. Er muss auch prüfen, ob die Bewerberin und der Bewerber geeignet und befähigt sind, die vorgesehene Aufgabe so zu erfüllen, dass sie der Stellung der Einrichtung in der Kirche und der übertragenen Funktion gerecht werden.
( 2 ) Der kirchliche Dienstgeber kann pastorale und katechetische sowie in der Regel erzieherische und leitende Aufgaben nur einer Person übertragen, die der katholischen Kirche angehört.
( 3 ) Der kirchliche Dienstgeber muss bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch Festlegung der entsprechenden Anforderungen sicherstellen, dass sie ihren besonderen Auftrag glaubwürdig erfüllen können. Dazu gehören fachliche Tüchtigkeit, gewissenhafte Erfüllung der übertragenen Aufgaben und eine Zustimmung zu den Zielen der Einrichtung.
( 4 ) Für keinen Dienst in der Kirche geeignet ist, wer sich kirchenfeindlich betätigt oder aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.
( 5 ) Der kirchliche Dienstgeber hat vor Abschluss des Arbeitsvertrages über die geltenden Loyalitätsobliegenheiten (Art. 4) aufzuklären und sich zu vergewissern, dass die Bewerberinnen oder Bewerber diese Loyalitätsobliegenheiten erfüllen.
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Artikel 4
Loyalitätsobliegenheiten

( 1 ) Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Im pastoralen und katechetischen Dienst sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre erforderlich; dies gilt in der Regel auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im erzieherischen Dienst.
( 2 ) Von nicht katholischen christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achten und dazu beitragen, sie in der Einrichtung zur Geltung zu bringen.
( 3 ) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen bereit sein, die ihnen in einer kirchlichen Einrichtung zu übertragenden Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.
( 4 ) Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen. Sie dürfen in ihrer persönlichen Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden.
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Artikel 5
Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten

( 1 ) Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr, so muss der Dienstgeber durch Beratung versuchen, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Im konkreten Fall ist zu prüfen, ob schon ein solches klärendes Gespräch oder eine Abmahnung, ein formeller Verweis oder eine andere Maßnahme (z. B. Versetzung, Änderungskündigung) geeignet sind, dem Obliegenheitsverstoß zu begegnen. Als letzte Maßnahme kommt eine Kündigung in Betracht.
( 2 ) Für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen sieht die Kirche insbesondere folgende Verstöße gegen die Loyalitätsobliegenheiten im Sinn des Art. 4 als schwerwiegend an:
  1. Bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern:
    1. das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z. B. die Propagierung der Abtreibung oder von Fremdenhass),
    2. schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen, die nach den konkreten Umständen objektiv geeignet sind, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen,
    3. das Verunglimpfen oder Verhöhnen von katholischen Glaubensinhalten, Riten oder Gebräuchen; öffentliche Gotteslästerung und Hervorrufen von Hass und Verachtung gegen Religion und Kirche (vgl. c. 1369 CIC); Straftaten gegen die kirchlichen Autoritäten und die Freiheit der Kirche (vgl. cc. 1373, 1374 CIC),
    4. die Propagierung von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen, die im Widerspruch zu katholischen Glaubensinhalten stehen, während der Arbeitszeit oder im dienstlichen Zusammenhang, insbesondere die Werbung für andere Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften.
  2. Bei katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern:
    1. den Austritt aus der katholischen Kirche,
    2. Handlungen, die kirchenrechtlich als eindeutige Distanzierung von der katholischen Kirche anzusehen sind, vor allem Abfall vom Glauben (Apostasie oder Häresie gemäß c. 1364 § 1 i.V. m. c. 751 CIC),
    3. den kirchenrechtlich unzulässigen Abschluss einer Zivilehe, wenn diese Handlung nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen; eine solche Eignung wird bei pastoral oder katechetisch tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung beschäftigt werden, unwiderlegbar vermutet,
    4. das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft; bei diesem Loyalitätsverstoß findet Ziff. 2c) entsprechende Anwendung.
( 3 ) Liegt ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß nach Absatz 2 vor, so hängt die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung von der Abwägung der Einzelfallumstände ab. Dem Selbstverständnis der Kirche ist dabei ein besonderes Gewicht beizumessen, ohne dass die Interessen der Kirche die Belange des Arbeitnehmers dabei prinzipiell überwiegen. Angemessen zu berücksichtigen sind unter anderem das Bewusstsein der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters für die begangene Loyalitätspflichtverletzung, das Interesse an der Wahrung des Arbeitsplatzes, das Alter, die Beschäftigungsdauer und die Aussichten auf eine neue Beschäftigung. Bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die pastoral, katechetisch, aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung beschäftigt werden, schließt das Vorliegen eines schwerwiegenden Loyalitätsverstoßes nach Absatz 2 die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung in der Regel aus. Von einer Kündigung kann in diesen Fällen ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen. Gleiches gilt für den Austritt einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters aus der katholischen Kirche.
( 4 ) Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung hinsichtlich dieser Ordnung wird in jeder (Erz-)Diözese oder (wahlweise) von mehreren (Erz-)Diözesen gemeinsam eine zentrale Stelle gebildet. Deren Aufgabe ist von einer Person wahrzunehmen, die der katholischen Kirche angehört, die Befähigung zum Richteramt besitzt und über fundierte Erfahrungen im kirchlichen und weltlichen Arbeitsrecht verfügt. Beabsichtigt ein kirchlicher Dienstgeber eine Kündigung wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen eine Loyalitätsobliegenheit auszusprechen, soll er bei der zentralen Stelle eine Stellungnahme zur beabsichtigten Kündigung einholen. Die Einholung der Stellungnahme der zentralen Stelle ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung.
( 5 ) Der Verband der Diözesen Deutschlands wird fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Ordnung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der zentralen Stellen nach Absatz 4 die Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit der vorstehenden Regelungen einer Überprüfung unterziehen. Er erstattet dem Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz Bericht und unterbreitet Vorschläge für mögliche Änderungen.
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Artikel 6
Koalitionsfreiheit

( 1 ) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des kirchlichen Dienstes können sich in Ausübung ihrer Koalitionsfreiheit als kirchliche Arbeitnehmer zur Beeinflussung der Gestaltung ihrer Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in Vereinigungen (Koalitionen) zusammenschließen, diesen beitreten und sich in ihnen betätigen.
( 2 ) Die Koalitionen sind berechtigt, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen innerhalb der kirchlichen Einrichtung für den Beitritt zu diesen Koalitionen zu werben, über deren Aufgabe zu informieren sowie Koalitionsmitglieder zu betreuen.
( 3 ) Die Mitwirkung von tariffähigen Arbeitnehmerkoalitionen (Gewerkschaften) in den arbeitsrechtlichen Kommissionen des Dritten Weges ist gewährleistet. Das Nähere regeln die einschlägigen Ordnungen.
( 4 ) Die Koalitionsfreiheit entbindet die Vertreter der Koalition nicht von der Pflicht, das verfassungsmäßige Selbstbestimmungsrecht der Kirche zur Gestaltung der sozialen Ordnung ihres Dienstes zu achten und die Eigenart des kirchlichen Dienstes zu respektieren.
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Artikel 7
Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen

( 1 ) Das Verhandlungsgleichgewicht ihrer abhängig beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Abschluss und Gestaltung der Arbeitsverträge sichert die katholische Kirche durch das ihr verfassungsmäßig gewährleistete Recht, ein eigenes Arbeitsrechts-Regelungsverfahren zu schaffen. Rechtsnormen für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse kommen zustande durch Beschlüsse von arbeitsrechtlichen Kommissionen, die mit Vertretern der Dienstgeber und Vertretern der Mitarbeiter paritätisch besetzt sind. Die Beschlüsse dieser arbeitsrechtlichen Kommissionen bedürfen der bischöflichen Inkraftsetzung für die jeweilige (Erz-)Diözese. Das Nähere, insbesondere die jeweiligen Zuständigkeiten, regeln die einschlägigen Ordnungen. Die arbeitsrechtlichen Kommissionen sind an diese Grundordnung gebunden.
( 2 ) Wegen der Einheit des kirchlichen Dienstes und der Dienstgemeinschaft als Strukturprinzip des kirchlichen Arbeitsrechts schließen kirchliche Dienstgeber keine Tarifverträge mit Gewerkschaften ab. Streik und Aussperrung scheiden ebenfalls aus.
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Artikel 8
Mitarbeitervertretungsrecht als kirchliche Betriebsverfassung

Zur Sicherung ihrer Selbstbestimmung in der Arbeitsorganisation kirchlicher Einrichtungen wählen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Maßgabe kirchengesetzlicher Regelung Mitarbeitervertretungen, die an Entscheidungen des Dienstgebers beteiligt werden. Das Nähere regelt die jeweils geltende Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO). Die Gremien der Mitarbeitervertretungsordnung sind an diese Grundordnung gebunden.
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Artikel 9
Fort- und Weiterbildung

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Anspruch auf berufliche Fort- und Weiterbildung. Diese umfassen die fachlichen Erfordernisse, aber genauso die ethischen und religiösen Aspekte des Dienstes. Hierbei müssen auch Fragen des Glaubens und der Wertorientierung sowie die Bewältigung der spezifischen Belastungen der einzelnen Dienste angemessen berücksichtigt werden.
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Artikel 10
Gerichtlicher Rechtsschutz

( 1 ) Soweit die Arbeitsverhältnisse kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem staatlichen Arbeitsrecht unterliegen, sind die staatlichen Arbeitsgerichte für den gerichtlichen Rechtsschutz zuständig.
( 2 ) Für Rechtsstreitigkeiten auf den Gebieten der kirchlichen Ordnungen für ein Arbeitsvertrags- und des Mitarbeitervertretungsrechts werden für den gerichtlichen Rechtsschutz unabhängige kirchliche Gerichte gebildet.
( 3 ) Die Richter sind von Weisungen unabhängig und nur an Gesetz und Recht gebunden. Zum Richter kann berufen werden, wer katholisch ist und in der Ausübung der allen Kirchenmitgliedern zustehenden Rechte nicht behindert ist sowie die Gewähr dafür bietet, jederzeit für das kirchliche Gemeinwohl einzutreten.