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Geltungszeitraum von: 01.01.2011

Geltungszeitraum bis: 30.09.2023

Dienstordnung für die katholische Gefängnisseelsorge
in Nordrhein-Westfalen

Vom 29. September 2010

(KlAnz. 2011, Nr. 2, S. 2)

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I. Seelsorge in den Justizvollzugs- einschließlich den Abschiebungshaftanstalten und den Jugendarrestanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. Mai 2003 in der Fassung vom 29. September 2010 (Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen vom 1. Dezember 2010, Nr. 289, S. 307).

  1. Die Seelsorge in den Justizvollzugs- einschließlich den Abschiebungshaftanstalten und den Jugendarrestanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen ist Teil der der Katholischen Kirche obliegenden allgemeinen Seelsorge und vollzieht sich nach den Ordnungen der zuständigen Diözese. Ändern sich die Vollzugs- oder Arrestformen, so findet diese Dienstordnung entsprechende Anwendung.
  2. Sie wird hauptamtlich oder nebenamtlich von Priestern und Diakonen und sonstigen in der Anstaltsseelsorge tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgeübt. Anstaltsseelsorger1# ist derjenige, der von dem Ortsordinarius mit der Seelsorge in einer Justizvollzugs- einschließlich der Abschiebungshaftanstalt oder einer Jugendarrestanstalt beauftragt worden ist.
  3. Die Anstaltsseelsorger werden unabhängig von dem jeweiligen Beschäftigungsumfang in das Beamtenverhältnis übernommen. Sind die dienstrechtlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt oder ist die Begründung eines Beamtenverhältnisses aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht möglich, werden sie als Beschäftigte gemäß Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) tätig. In begründeten Einzelfällen werden sie im Rahmen eines zwischen dem jeweiligen Bistum und dem Land Nordrhein-Westfalen zu schließenden Gestellungsvertrages tätig.
  4. Bei Beamten und Beschäftigten gemäß TV-L liegt die Dienstaufsicht beim Land, die unmittelbar durch die Anstaltsleitung ausgeübt wird. Anstaltsseelsorger, die im Rahmen eines Gestellungsvertrages tätig werden, bleiben in persönlicher, arbeitsrechtlicher und seelsorgerischer Hinsicht dem Ortsordinarius unterstellt, ungeachtet der Weisungsrechte des Leiters/der Leiterin der Justizvollzugsanstalt.
  5. Die Fachaufsicht obliegt dem Ortsordinarius. Er hat das Recht zur regelmäßigen Visitation.
  6. Die Anstaltsseelsorger sind verpflichtet, bei der Ausübung ihres Dienstes die gesetzlichen sowie die sonstigen Bestimmungen und Anordnungen für den Justizvollzug zu beachten. Das gilt auch für die Anordnungen, die von der Vollzugsanstalt in bezug auf Gefangene allgemein oder im Einzelfall getroffen werden. Die zu beachtenden Bestimmungen und Anordnungen werden dem Anstaltsseelsorger durch die Anstaltsleitung zur Kenntnis gegeben.
  7. Das Beicht- und Seelsorgegeheimnis ist streng zu wahren und wird gewährleistet.
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II. Aufgaben der Anstaltsseelsorge

Zur Anstaltsseelsorge gehören im wesentlichen folgende Aufgaben:
  • Regelmäßige Gottesdienste, insbesondere an Sonn- und kirchlichen Feiertagen und Gottesdienste gemäß besonderer Absprache,
  • Spendung und Feier der Sakramente,
  • Vornahme sonstiger Kasualien,
  • seelsorgliche Gespräche mit Gefangenen, und zwar
    1. einzeln in dessen Haftraum,
    2. einzeln oder in Gruppen im Anstaltsbereich,
  • Durchführung von Sonderbesuchen aus seelsorglichen Gründen,
  • seelsorglicher Beistand und karitative Hilfe für die Gefangenen und deren Angehörige in Partnerschafts-, Ehe- und Familienangelegenheiten und in Lebenskrisen,
  • Krankenseelsorge,
  • religiöse Unterweisung und sonstige Hilfen zur Persönlichkeitsbildung,
  • Gruppenarbeit, Kurse und Mitwirkung bei der Freizeitgestaltung,
  • Mitwirkung bei Ausführungen Gefangener,
  • Durchführung von Ausgängen Gefangener,
  • Durchführung von und Mitwirkung an Feiern zu besonderen Gelegenheiten,
  • Kontaktaufnahme zu den Angehörigen oder sonstigen Bezugspersonen der Gefangenen und ihren Pfarrgemeinden,
  • Teilnahme an Dienstbesprechungen,
  • Möglichkeit der Teilnahme an Konferenzen,
  • freigestellte Mitwirkung an Vorbereitung, Erstellung und Durchführung des Vollzugsplanes oder des Erziehungsplanes, jeweils unter Beachtung und Einbeziehung der besonderen seelsorglichen Belange der Gefangenen,
  • Äußerungen in Gnadensachen und in Verfahren nach §§ 57, 57a, 57b StGB oder § 88 JGG, welche aus Gründen seelsorglichen Ermessens abgelehnt werden können,
  • Zusammenarbeit mit den übrigen im Vollzug tätigen Personen in ihren Bemühungen, die Gefangenen zu befähigen, das Vollzugsziel zu erreichen,
  • Bereitschaft zur Seelsorge an allen im Vollzug Tätigen,
  • Mitwirkung bei der berufsethischen Aus- und Fortbildung der Anstaltsbediensteten,
  • Gewinnung, Anleitung und Begleitung von ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern,
  • Mitwirkung bei der Auswahl religiöser Bücher und Schriften für die Gefangenenbücherei,
  • Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit für die Gefängnisseelsorge in Kirche und Gesellschaft.
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III. Rechte der Anstaltsseelsorge

  1. Die Anstaltsseelsorger haben das Recht,
    1. Gefangene ihres eigenen Bekenntnisses umfassend zu betreuen,
    2. Gefangene anderer Konfessionen auf deren Wunsch und im Benehmen mit dem zuständigen Seelsorger dieser Konfession zu betreuen,
    3. Gefangene anderer Religionsgemeinschaften und Gefangene ohne religiöses Bekenntnis auf deren Wunsch zu betreuen,
    4. darüber hinaus jeden Gefangenen aus seelsorglichen Gründen zu besuchen.
  2. Unter Beachtung des § 157 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz dürfen die Anstaltsseelsorger sich beauftragter pastoraler Dienste bedienen und für Gottesdienste, Sakramentenspendung sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorger von außen zuziehen.
  3. Die Anstaltsseelsorger haben nach vorheriger Absprache mit der Anstaltsleitung das Recht, ehrenamtlich tätige Personen zur seelsorglichen Mitarbeit heranzuziehen.
  4. Für die im dienstlichen Interesse der Anstaltsseelsorge stattfindenden Aus-, Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen der Kirche wird im Rahmen der staatlichen bzw. kirchlichen Bestimmungen Dienstbefreiung gewährt. Das gleiche gilt für die Teilnahme an Exerzitien der Kirche sowie an der Landes- und der Bundeskonferenz der Katholischen Gefängnisseelsorge.
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IV. Organisatorische Voraussetzungen für die Anstaltsseelsorge

Die Justizverwaltung schafft im Rahmen der geltenden Bestimmungen und Anordnungen die zur Dienstausübung der Anstaltsseelsorge nötigen organisatorischen Voraussetzungen.
Dazu gehören insbesondere:
  • Mitteilung aller Zugänge von Gefangenen katholischer Konfession, unter Bekanntgabe der Personalien, und namentliche Mitteilung aller Abgänge,
  • Gewährung der Einsicht in Personalakten von Gefangenen,
  • selbständiger Zugang zu den Gefangenen, sollte ein nicht hauptamtlicher, nicht vertraglich beschäftigter oder nicht in einem Gestellungsvertrag tätiger Geistlicher einen Gefangenen in der Untersuchungshaft besuchen wollen, gelten ergänzend § 119 StPO und § 18 Absatz 3 Untersuchungshaftvollzugsgesetz NRW,
  • Aushändigung des Anstaltsschlüssels,
  • Bereitstellung geeigneter Räume für Gottesdienste, Gruppen- und Einzelgespräche, Sonderbesuche und Freizeitveranstaltungen,
  • Berücksichtigung der Gottesdienstzeiten und anderer Veranstaltungen bei der Planung und Festlegung des Veranstaltungsprogramms der Anstalt,
  • Gewährleistung der Teilnahmemöglichkeit der Gefangenen an den Gottesdiensten,
  • Ermöglichung von seelsorglichen Sonderbesuchen, auch außerhalb der festgelegten Besuchszeiten,
  • unverzügliche Information bei besonderen Ereignissen, wie beispielsweise schweren Erkrankungen, Suizidversuchen, Todesfällen, Unterbringung in besonders gesicherten Haft- bzw. Arresträumen,
  • Absprachen mit dem Anstaltsseelsorger über besondere Veranstaltungen im Gottesdienstraum,
  • Bereitstellung eines geeigneten Dienstzimmers einschließlich eines Telefons, unter Ausschluß der Überwachung und Aufzeichnung der ein- und ausgehenden Gespräche, um den Schutz des Seelsorgegeheimnisses zu gewährleisten,
  • Erledigung der Schreibarbeiten und Unterstützung bei Verwaltungsangelegenheiten der Anstaltsseelsorge durch die Verwaltung der Anstalt,
  • Zuteilung von Helfern aus Reihen der Gefangenen,
  • Bereitstellung ausreichender Mittel zur Deckung der angemessenen Sach- und Personalkosten, z.B. für die Tätigkeit des Organisten und die Vertretung des Anstaltsseelsorgers; rechtzeitige Anmeldung des Finanzbedarfs bei der Anstaltsleitung wird zwecks Vorbereitung des Haushalts vorausgesetzt.
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V. Auslegung, Anwendung und Änderung dieser Dienstordnung

  1. Ergeben sich Schwierigkeiten in der Auslegung oder Anwendung dieser Dienstordnung, die nicht zwischen Anstaltsleitung und Anstaltsseelsorge gelöst werden können, werden sich das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und das jeweilige Bistum unverzüglich gegenseitig informieren und versuchen, die Schwierigkeiten einvernehmlich zu beheben.
  2. Bei Meinungsverschiedenheiten stehen neben dem Vorsitzenden der Katholischen Pastoralkonferenz für die Gefängnisseelsorge in Nordrhein-Westfalen auch die Dekane für den Bereich der katholischen Gefängnisseelsorge in den Justizvollzugsanstalten des rheinischen und des westfälischen Teils des Landes Nordrhein-Westfalen als Vermittler zur Verfügung.
  3. Vor Änderung dieser Dienstordnung ist das Benehmen mit dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen herbeizuführen.
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VI. Inkrafttreten

Diese Dienstordnung tritt mit der Wirkung vom 1. Oktober 2010 in Kraft.

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1 ↑ Zwecks leichter Lesbarkeit dieser Dienstordnung werden nachfolgend sowohl Priester und Diakone als auch die sonstigen in der Anstaltsseelsorge tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als „Anstaltsseelsorger“ bezeichnet.